„Der Friede sei mit Dir“, das wünschen wir uns regelmäßig im Gottesdienst. Bei dem Thema Frieden denken wir aktuell meist an das Gegenteil von Frieden, nämlich an Krieg, den es seit einem Jahr wieder in Europa und seit einem halben Jahr wieder im Gazastreifen mit unerträglichem Leid und Elend gibt. Es gibt aber auch noch einen anderen Krieg, den wir in der Regel als solchen gar nicht wahrnehmen:
"Die Menschheit führt einen Krieg gegen die Natur. Das ist sinnlos und selbstmörderisch. Die Folgen unserer Rücksichtslosigkeit sind bereits heute sichtbar: menschliches Leid, gewaltige wirtschaftliche Verluste und die zunehmende Vernichtung des Lebens auf der Erde.“ Dieser Satz stammt nicht von Greta Thunberg oder der Letzten Generation. Er stammt vom Generalsekretär der Vereinten Nationen von António Guterres und ist dem 2021 veröffentlichten UN-Bericht „Frieden schließen mit der Natur“ entnommen. Ich finde, dass der Begriff bzw. das Bild „Frieden mit der Natur“, sehr gut veranschaulicht, in welcher Situation wir uns aktuell befinden (Krieg / Unfriede mit der Natur), und gleichzeitig eine Perspektive / Utopie aufzeigt, wohin wir gehen müssen. Im UN-Bericht heißt es dazu:
„Frieden mit der Natur zu schließen, ihren Erhalt zu sichern und auf ihrem unverzichtbaren, unterschätzten Potenzial aufzubauen, ist der Schlüssel zu einer prosperierenden, nachhaltigen Zukunft für uns alle. […] Jeder kann dazu beitragen, dass das Wissen, der Einfallsreichtum, die Technologie und die Zusammenarbeit der Menschen nicht mehr zur Umgestaltung der Natur eingesetzt werden, sondern zur Umgestaltung der Beziehung zwischen Mensch und Natur.“ Es kommt also auf eine Veränderung unserer Beziehung und Einstellung zur Natur an. In Laudato si zitiert Papst Franziskus die Australischen Bischöfe: „Um diese Versöhnung zu verwirklichen, müssen wir unser Leben prüfen und erkennen, auf welche Weise wir die Schöpfung Gottes durch unser Handeln und durch unsere Unfähigkeit zu handeln geschädigt haben. Wir müssen eine Umkehr bzw. einen Wandel des Herzens erfahren.“
Jetzt könnte man einwenden, dass der „Frieden mit der Natur“ unrealistisch ist oder eher einen Idealzustand darstellt, der nur im Paradies, im Friedensreich bei Jesaja oder in den Träumen von Franz von Assisi zu finden ist. Grundsätzlich ist das richtig und wir sind aktuell gerade im kapitalistischen Abendland vom „Frieden mit der Natur“ ganz weit entfernt. An dieser Stelle hilft der Hinweis vom Hamburger Philosophen und Physiker Klaus Michal Meyer-Abich, dass es, wenn man fern vom Ziel ist, auf die Wirklichkeit der Suche und nicht auf das Erreichen des Ziels ankommt. Deshalb heißt auch die Philosophie nicht Sophia (Weisheit), sondern Philo-Sophie (Liebe zur Weisheit) und deshalb hat er sein 1981 veröffentlichtes Buch auch nicht „Frieden mit der Natur“, sondern „Wege zum Frieden mit der Natur“ genannt. Ja, und das mit dem Weg kennen wir schon aus der Bibel: Umkehren und in die richtige Richtung gehen.
Ich finde, das ist eine tragfähige Perspektive: Lasst uns auf den Weg zum Frieden mit der Natur machen. Der Weg ist noch weit, aber die Richtung ist klar - los geht’s. Und beim Friedensgruß im Gottesdienst können wir schon einmal anfangen und nicht nur an den inneren Frieden und den Frieden unter uns Menschen, sondern auch an die Frieden mit der Natur denken.
Der Friede sei mit Euch
Laudato si Osnabrück / Unterbrechung am Mittwoch